Die Zeit der Kreuzzüge.
79
Reich, Alexius, ein Enkel des Usurpators Audronikus I., ein anderes
in Trapezunt, Michael Komnenus ein drittes in Epirus; noch
gefährlicher aber war den Lateinern das 1186 zu beiden Seiten des
Hämus entstandene walachisch-bulgarische Reich. Kaiser Bal-
duin wurde 1205 von den Bulgaren gefangen und grausam ermordet,
sein Bruder Heinrich I. trieb sie zwar zurück, aber der zu seinem Nach-
folger gewählte Peter von Kourtenay, Gras von Namur, wurde
von dem Despoten von Epirus gefangen genommen und nicht mehr ^ im
frei gelassen; dessen Bruder Robert hielt sich nur mit Mühe, und bis' 1228.
Kaiser Balduin Ii. entfloh 25. Juli 1261 nach Italien, als bin Reg. 1237
Feldherr des Michael Paläologus Konstantinopel überrumpelte. Konstantino.
pel wieder
Kaiser Friedrich Ii. (1215—1250). griechisch.
8 234. Als Otto Iv. von dem Papste gebannt wurde, lebte die
hohenstaufische Partei wieder auf, und lud den einzigen noch lebenden
Hohenstaufen, Friedrich von Neapel und Sicilien, nach Deutsch-
land ein, wohin derselbe mit Zustimmung des Papstes unter manchen 1212.
Gefahren gelangte. Otto Iv. mußte vor ihm aus Süddeutschland,
aus der Heimat der Hohenstaufen, in seine Erbländer zurückweichen,
und als er zu Gunsten seines Vetters, des Königs Johann von
England, gegen den König Philipp Ii. August von Frankreich Schlacht
zu Felde zog und 27. Juli 1214 bei Bouvines im Hennegau eine beibouvines
vollständige Niederlage erlitt, verlor er in Deutschland alles Ansehen, 1214-
daher ihn Friedrich nicht in seine Erblande verfolgte. Otto Iv. starb
1218, nachdem er nicht hatte verhindern können, daß Friedrich Ii. zu
Aachen als König gekrönt wurde.
8 235. In Aachen wiederholte Kaiser Friedrich Ii. feierlich sein
dem Papste gegebenes Versprechen, seinem Sohne Heinrich das
Königreich Sicilien zu übergeben und gelobte ebenso feierlich einen
Kreuzzug. Damit war es ihm keineswegs Ernst, wie er bald be-
wies; denn er setzte es durch, daß sein Sohn Heinrich noch als Kind
zum deutschen König erwählt wurde, während er selbst sein italienisches
Königreich behielt. Er betrachtete nämlich Italien als Hauptland,
Deutschland dagegen als Nebenland, und sein ganzes Bestreben war
dahin gerichtet, sich Italien vollständig zu unterwerfen. Die deutsche
Krone mußte er sich erhalten, weil ein König aus einem anderen Klause
seine Plane in Italien durchkreuzt hätte und er die kriegerische Kraft
Deutschlands wohl kannte und für sich benutzen wollte. Aus diesen
Gründen verschob er den gelobten Kreuzzug wiederholt, erneuerte aber
eben so oft sein Versprechen und zwar immer feierlicher, so 1220 bei
seiner Kaiserkrönung, 1225, wo er sich selbst dem Banne verfallen er-
klärte, wenn er binnen zwei Jahren sein Gelübde nicht erfüllen würde.
8 236. Unterdessen arbeitete er in Italien unausgesetzt an der
Durchführung seiner Entwürfe; er zog die königlichen Güter an sich,
statt sie als Lehen auszutheilen, schenkte keine Hufe Landes an Klöster
oder Stifte, setzte widerspänstige oder verdächtige Adelige gefangen,
erbaute in den großen Städten Burgen, um dieselben im Zaume zu
halten, und richtete nach byzantinischem und saracenischem Vorbilde die
Staatsverwaltung ein, daher bezog er auch ein Einkommen wie kein
anderer Monarch in Europa. Er hielt ein Soldheer, das größtentheils
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit]]
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Extrahierte Personennamen: Alexius Michael_Komnenus Heinrich_I. Peter_von_Kourtenay Robert Balduin Michael_Paläologus_Konstantinopel Friedrich_Ii Friedrich Otto Friedrich_von_Neapel Friedrich Otto Königs_Johann_von
England Johann Philipp_Ii Philipp August Friedrich Friedrich Otto Friedrich_Ii Friedrich Friedrich_Ii Friedrich Heinrich_das
Königreich Heinrich Ernst Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Epirus Namur Epirus Italien Sicilien Deutsch- Frankreich Hennegau Deutschland Aachen Italien Deutschland Italien Italien Deutschlands Italien Europa
58
Geschichte des Mittelalters.
verwittweten Schwiegertochter Hugos (dessen Sohn Lothar starb plötz-
850. lich), Adelheid, vermählen wollte und als sie widersprach, in Gefan-
genschaft hielt. Insgeheim bot sie dem deutschen König Otto ihre Hand
851. an, der auch nach Oberitalien zog, Adelheid heirathete und den Titel
eines Königs der Longobarden annahm. Im folgenden Jahre gab er
jedoch Oberitalien Berengarn als deutsches Lehen zurück.
Die Ungarnschlacht auf dem Lechfelde (10. Aug. 955).
§ 179. Ottos Sohn Ludolf sowie sein Schwiegersohn Konrad
von Franken fanden sich gekränkt und gingen in ihrer Feindseligkeit
so weit, daß sie die Ungarn herbeiriefen, die durch Mitteldeutschland
bis über den Rhein streiften. Ludolf jedoch wagte in der Nähe von
Ulm den Kampf gegen seinen Vater nicht, sondern ließ sich mit dem-
selben versöhnen, wobei er aber sein Herzogthum verlor. Im folgenden
Jahre unterwarf sich auch Konrad; Otto theilte jetzt Lothringen in
Ober- und Niederlothringen und verlieh das eine dem Grafen
Friedrich von Bar, das andere seinem Bruder, dem trefflichen
951. Erzbischof Bruno von Köln.
Das folgende Jahr fielen die Ungarn mit größerer Macht als je
in Deutschland ein und stürmten verwüstend durch Bayern bis Augs-
burg vor, das sie belagerten, als Otto mit dem Reichsheere heranzog
und sic in einer gefährlichen blutigen Schlacht vollständig besiegte. Von
dieser Zeit blieb Deutschland von ihren Einfällen frei; auch kam ein
Theil der Ostmark (Ostirichi heißt sie in einer Urkunde von 996) wie-
der zum deutschen Reiche, nämlich das Land von der Enns bis zur
Erlaf, in welchem sich bayerische und schwäbische Kolonisten ansiedelten;
noch blieb aber Melk an der Donau eine Hauptfeste der Ungarn.
Otto römischer Kaiser (2. Februar 962).
§ 180. Nach Ottos Heimkehr aus Italien spielte Berengar
den Meister und bald riefen unaufhörliche Klagen, besonders von Sei-
ten der Bischöfe, den deutschen König nach Italien. Berengar wagte
keine Schlacht, hielt sich aber in einigen Festungen. Otto zog nach
Rom und ließ sich 962 zum Kaiser krönen. Seitdem behaupteten die
deutschen Könige die kaiserliche Krone, daher später auch Deutschland
. . das heilig e römische Reich genannt wurde (bis zur Niederlegung
schreichs der Kaiserkrone durch Franz Ii. — 6. August 1806).
Doch brachte die Kaiserkrone schon ihrem ersten Träger schwere
Kämpfe und Verlegenheiten; denn Berengar wurde zwar zur Ergebung
961. genöthigt und starb bald in einem deutschen Gefängnisse, aber in Rom
selbst erhoben sich gegen den Kaiser und den von ihm beschützten Papst
Aufstände, die von Otto mit eiserner Strenge unterdrückt wurden.
Er dachte an die Unterwerfung von ganz Italien und knüpfte
mit dem griechischen Kaiser Nikephorus Unterhandlungen an, um
durch eine Heirath seines Sohnes Otto mit einer griechischen Prinzessin
die griechischen Besitzungen in Untcritalien zu erwerben. Allein dieses
führte nur zu einem Kriege zwischen den beiden Kaisern; doch kam nach
972. der Ermordung des Nikephorus wenigstens die Vermählung des jungen
Otto mit der griechischen Prinzessin Theophano (Tochter Roma-
nuö Ii.) zu Stande.
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Extrahierte Personennamen: Hugos Lothar Adelheid Otto Ottos Ludolf Konrad
von_Franken Konrad Ludolf Konrad;_Otto Konrad Otto Friedrich_von_Bar Friedrich Bruno_von_Köln Otto Otto Ottos Berengar Otto Franz_Ii Franz August Otto Nikephorus Otto Otto
Extrahierte Ortsnamen: Oberitalien Oberitalien Ottos Rhein Ulm Lothringen Niederlothringen Ungarn Deutschland Deutschland Donau Ungarn Ottos Italien Italien Rom Deutschland Rom Italien
42
Geschichte des Mittelalters.
in blutigen Schlachten bei Detmold und an der <p a f e. Er
wiederholte die zwei folgenden Jahre seine Verwüstungszüge, da end-
lich entsagten Wittekin und Alboin längerem Widerstande und ließen
sich taufen. Andere Häuptlinge folgten ihrem Beispiele und nach 793
erfolgte kein größerer Aufstand mehr. Karl versetzte 10,000 sächsische
Familien in entfernte Gegenden und siedelte an ihrer Stelle Franken
und Alemannen an, erbaute Burgen und versah dieselben mit Besatzun-
gen; mit 804 war der letzte Widerstand erloschen. Die Sachsen be-
kannten sich gezwungen zum Christenthume und Karl stiftete in ihrem
Lande acht Bisthümer: Osnabrück, Minden, Verden, Bremen,
Paderborn, Münster, Halberstadt, Hildesheim; aber in
nicht langer Zeit waren die Sachsen sehr eifrige Christen und blieben da-
bei ein hochgesinntes kriegerisches Volk, das seine Rechte muthig festhielt.
Äarl römischer Kaiser (800 n. Chr.).
§ 125. Im Jahr 799 wurde Papst Leo Hi. bei einem Aufstande
in Rom mißhandelt; er flüchtete nach Spoleto und kam nach Pader-
born, wo Karl Reichstag hielt. Auf des Papstes Klage stellte Karl
durch eine bewaffnete Macht in Rom die Ordnung her und begab sich
das folgende Jahr eben dahin. Als er an Weihnachten am Altäre
St. Peters betete, setzte ihm Leo Iii. die Kaiserkrone auf das Haupt
und das römische Volk rief: „Sieg und Leben dem erhabenen Karl,
dem von Gott gekrönten großen und friedebringcnden Kaiser der Römer."
§ 126. So erstand das römische Kaiserthum wieder, jedoch
in anderer Bedeutung als das durch die germanischen Heerkönige zer-
störte. Das neue römische Kaiserthum oder Reich wurde das heilige
genannt, weil es ein christliches war und alle'christlichen Völker unter
seinen Schirm vereinigen wollte. Darum krönte der Papst, das geist-
liche Oberhaupt der Christenheit, den Kaiser, welcher die Pflicht übernahm,
die Christenheit gegen die Angriffe der Ungläubigen zu beschützen, den
Frieden unter den christlichen Fürsten und Völkern zu erhalten, dem
Schwachen und Niederen Gerechtigkeit und den Geboten der Kirche
Gehorsam zu verschaffen. Beide Oberhäupter der Christenheit sollten
Zusammenwirken, alle christlichen Völker, unbeschadet ihrer nationalen
Selbstständigkeit, sich zu einem großen christlichen Staatenbunde („rv8
publica christiana“) vereinigen zur Erhaltung des inneren Friedens
und zur Bekämpfung der Feinde der Christenheit, der Heiden und
Mohammedaner.
Karl als Regent des Frankcnrcichs.
Seine Wehrordnnng.
§ 127. Karls Gesetz verpflichtete jeden freien Mann zum Heer-
banne oder zum Waffendienste; besaß einer vier Höfe alö Eigenthum
oder Lehen, so mußte er bei einer Buße von 60 Schillingen auszichen,
während weniger Vermögliche selbdritt oder selbsechst einen aus ihnen
für den Feldzag ausrüsteten. Nur Reiche dienten zu Pferde; die Rü-
stung mußte jeder selbst anschaffen sowie Lebensmittel auf drei Monate,
die gewöhnliche Dauer eines Feldzugö, mitbringen. Das Wehrwesen
eines Gaues beaufsichtigte der <Hraf und dieser konnte die Wehrpflicht
für einen Freien verderblich machen, wenn er denselben öfter zu einem
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Leo_Hi Leo Karl_Reichstag Karl Karl Karl Peters Leo_Iii Leo Karl Karl Gott Karl Karl Karls_Gesetz Karls
Extrahierte Ortsnamen: Detmold Sachsen Minden Bremen Paderborn Halberstadt Hildesheim Sachsen Rom Spoleto Pader- Rom
Von der Zeit des Zwischenreiches bis auf Kaiser Friedrich 11!. 107
Die Vehmgerichte.
K 321. Nur in einer solchen Zeit konnten die Vehmgerichte
(von Fehm, d. h. Strafe, Strafgericht) eine Bedeutung erlangen. Die
Heimat derselben ist Westfalen („die rothe Erde") und sie scheinen aus
den kaiserlichen öffentlichen Landgerichten entstanden zu sein, als nach
dem Untergang der Hohenstaufen und der Aufhebung des alten Herzog-
thums Sachsen der Rechtsschutz zeitweise ganz aufhörte. Im 14. Jahr-
hundert sind sie heimliche Gerichte für schwere Verbrechen (Mord,
Raub, Ketzerei rc.), die von einem Vereine abgehalten wurden, dessen
Mitglieder sich „Wissende", die Vorsitzer „Freigrafen", die Beisitzer
„Freischöffen" nannten. Der vor dem Gerichte Angeklagte wurde
durch einen Anschlag binnen sechs Wochen und drei Tagen an einen
bestimmten Ort geladen und wenn er erschien, von Wissenden vor einen
Freistuhl geführt; erschien er nicht, so wurde er verfehmt d. h. geächtet.
Das Gericht wurde unter freiem Himmel gehalten, der Angeklagte nur
nach Zeugenbeweis verurtheilt oder freigesprochen; die Hinrichtung
eines Verurtheilten geschah in der Regel durch den Strang. Zur Zeit
ihrer weitesten Verbreitung sollen die Vehmgerichte 100,000 Wissende
gezählt haben, als Deutschland von Räuber- und Mörderbanden wim-
melte, sie mußten aber ihre Bedeutung verlieren, sobald die ordentlichen
Gerichte ihre Pflichten wieder erfüllten und sich daher das Eingreifen
einer fremden Gerichtsbarkeit in ihr Gebiet nicht gefallen ließen. Das
letzte Vehmgericht soll 1568 bei Celle abgehalten worden sein, dem
Namen nach aber bestand ein Freistuhl bis 1792.
Kaiser Wenzel (1378-1400).
§ 322. Dieser kümmerte sich noch weniger als sein Vater um das
Treiben in Deutschland, als er die Unmöglichkeit erkannte demselben
Einhalt zu thun. Er weilte die größte Zeit über in Böhmen, wo ihm
das gemeine Volk nicht abgeneigt war, obwohl er seine ohnehin wilde
Natur durch übermäßigen Weingenuß steigerte und dann seiner Umge-
bung furchtbar wurde. Seine eigenen Verwandten ließen sich in Ver-
bindungen gegen ihn ein und setzten ihn mehrmals gefangen; 1396
mußte er seinen Bruder Sigismund zu seinem Statthalter in
Deutschland ernennen, 1400 erklärten ihn die Kurfürsten des Thro-
nes verlustig, wogegen er protestierte und sich bis zu seinem 1419 er-
folgten Tode Kaiser schrieb.
Krieg der Eidgenossen gegen Oesterreich und den oberländi-
fchen Adel (1386-1388).
8 323. Die Eidgenossen und Oesterreich standen sich immer
drohend gegenüber. Der 1356 auf 20 Jahre geschlossene Friede, zu
dem beiderseitige Ermüdung das meiste beigetragen hatte, war noch
nicht ganz abgelaufen, als die Feindseligkeiten auch von beiden Seiten
begannen, durch die Eidgenossen dadurch, daß sie österreichische Orte in
ihren Bund aufnahmeu. Der oberländische Adel folgte fast ohne Aus-
nahme dem Panner des Herzogs, denn die Eidgenossen verbreiteten
ringsum den Geist der Empörung gegen die Herren, deren Waffen-
ruhm sie in wiederholten Kriegen verdunkelt hatten. Bei Sempach 9.Junil386.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Sigismund
Extrahierte Ortsnamen: Westfalen Sachsen Deutschland Deutschland Deutschland Oesterreich Oesterreich Sempach
Das Mittelalter geht zu Ende.
129
den Engländern gebraucht worden zu sein. Dasselbe war wie das
Kleingewehr anfangs sehr plump und wurde'sehr langsam geladen, im
Hussitenkriege war aber das Kleivgewehr schon von großer Bedeutung
und Konstantinopel fiel hauptsächlich durch die Wirkung der türkischen
Kanonenungeheuer.
§ 391. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts spielt das F e l d g e-Feldartille-
schütz eine große Rolle, besonders bei den Franzosen; mau wählte te*
feste Stellungen und deckte deren Zugänge durch Geschütz, schloß also
die schwere Reiterei vom Kampfe aus. Die Masse des Fußvolks war
mit langen Piken oder Helebarden bewaffnet und focht in geschlosse-
ner Ordnung; die Schweizer und Landsknechte verstanden es auch ganz
gut sich in dichte Massen zu formieren (Igel) und den Angriff der Rei-
terei mit der blanken Waffe abzuweisen. Doch bildeten auch Büch-
senschützen bereits einen stehenden Theil des Fußvolks, wie denn die
spanischen Hackenschützen durch ihr Feuer auf die schwere französische
Reiterei bei Pavia (1525) die Schlacht entschieden.
Irr Welthandel und die Kolonien.
8 392. Mit der Entdeckung Amerikas und des Seewegs nach
Ostindien beginnt die Herrschaft Europas über die ander»
Erdtheile und eine langsame neue Völkerwanderung durch die Kolo-
nisation, an welcher sich zuerst die Spanier und Portugiesen,
bald auch Franzosen und Engländer betheiligten, nicht aber Ita-
liener und Deutsche. Dadurch wurde der europäische Handel
eigentlich zum Welthandel und stoßen ungeheure Massen edeln Me-
talles nach Europa, wodurch das Gewerbsleben einen neuen ge-
waltigen Anstoß erhielt. Aus den fremden Erdtheilen kamen nicht nur
Gewürze in größerer Masse nach Europa, sondern auch Farbestosse,
Holzarten, Arzneien, Blumen und Kräuter, zuletzt Zucker, Kaffee, Tabak
und Baumwolle, wodurch die bisherige Lebensweise der Europäer sich
wesentlich veränderte.
Von unabsehbarer Wichtigkeit war die Verbreitung des Chri-
stenthums in Amerika, wodurch der wahren Kultur ein ganzer
Erdtheil zur Entwicklung eröffnet wurde.
Die Luchdruckerpresse.
§ 393. Diese nach der Buchstabenschrift wichtigste Erfindung
wurde nach 1440 durch Johann zu Guttenberg, genannt Geus-
fleisch, einen Bürger von Mainz, gemacht. Eivgeleitet wurde sie durch
den schon früher durch eingeschuitteue Tafeln vermittelten Holzdruck von
Spielkarten, Zeichnungen und Bildern, von Gebeten rc. (Xylographie).
Guttenberg schnitt bewegliche Lettern aus Holz, später goß er solche
aus einer Mischung von Zinn und Blei, und wandte die Presse au.
Aus Geldmangel trat er mit dem reichen Johannes Faust in Ver-
bindung sowie mit dem geschickten Peter Schöffer, welcher die Lettern
erhaben in Stahl schnitt, diese in Kupfer abschlug und die in dem Ku-
pfer vertiefte Form mit einer verbesserten Metallkomposition (Blei und
Wismut) ausgvß, wodurch gleichförmige und haltbare Lettern gewonnen
wurden. Guttenberg wurde durch Faust aus dem Geschäft gedrängt
und der mit ihm begonnene Bibeldruck 1455 ohne ihn vollendet.
Bumüller, Weltg. Ii. 9
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
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Extrahierte Personennamen: Johann_zu_Guttenberg Johann Guttenberg Johannes Peter_Schöffer Guttenberg
Extrahierte Ortsnamen: Konstantinopel Pavia Amerikas Ostindien Europas Europa Europa Amerika Mainz Wismut Weltg
Zeitalter der Revolution.
123
anerkannte in seinem Berichte die wichtigen Dienste, welche der junge
korsische Offizier Napoleon Bonaparte als Befehlshaber der Ar-
tillerie geleistet hatte.
Allgemeiner Krieg. Niederlagen der Franzosen.
§319. Gleichzeitig bekriegte der Konvent mit Ausnahme Däne-
marks, Schwedens, Rußlands und der Türkei alle Monarchien
Europas. Dumouriez drang aus Belgien in Holland ein, nahm
Breda und zwei kleinere Festungen ohne Mühe, erlitt aber bei Neer-
winden durch die Oesterreicher eine entscheidende Niederlage und
wurde an die französische Granze gedrängt. Da er seinen Kopf in
Gefahr sah (denn der Konvent ließ jeden unglücklichen Feldherrn guillo-
tinieren), unterhandelte er mit den Oesterreichern, konnte aber sein Heer
nicht zum Abfalle bewegen und mußte mit dem jungen Egalitv (Louis
Philipp von Orleans) seine Rettung im feindlichen Lager suchen. Das
österreichische Heer unter dem Herzog Iosias von Koburg drang
in Frankreich ein, eroberte das feste Lager bei Famars, die Fe-
stungen Kon de, Ouesnoi und Valenciennes, während die
Preußen Mainz zur Uebergabe zwangen (22. Juli 1793), eine fran-
zösische Armee unter Moreau bei Pirmasens schlugen und die Oester-
reicher unter Wurmser in die Vogesen eindrangen.
Wendung des Krieges im Herbste 1793. Schlacht bei Wattignies 16. Ckto-
der 1793, bei Fteurus 26. Juni 1794.
§ 320. Jetzt aber verpflichtete der Konvent alle wehrbaren Franzosen
zum Waffendienste, stellte alle Pferde und Vorräthe zum Dienste der
Republik, erhob von den Reichen große Geldsummen und ließ über
1 Million Franzosen gegen den Feind marschieren. Die Oberleitung
des ganzen Kriegswesens erhielt Karnot als Generalquartiermeister
der Republik; zu Generalen wurden Männer ernannt, welche man für die
fähigsten hielt, und ihnen ward der Befehl gegeben, den Feind überall
und unaufhörlich anzugreifen. Durch ihre Uebermacht und schonungslose
Taktik mußten sie um so mehr siegen, als sie durch den Krieg die
Kriegskunst erlernten, ihre Feinde dagegen aus Uneinigkeit und Eifersucht
fast nie zusammenwirkten. Daher konnte sich Houchard auf die eng-
lische Armee, die unter dem Herzog von Jork Dünkirchen belagerte,
mit Uebermacht werfen und bei Hondskooten vollständig schlagen,
Iourdan bei Wattignies trotz seiner Verluste den Herzog von
Koburg, der Maubeuge belagerte, zum Rückzuge zwingen (15. und
16. Oktober), Moreau und Hoche, obwohl bei Pirmasens und
Kaiserslautern von dem Herzog von Braunschweig abgewiesen
(29. und 30. November), im Deccmber die österreichisch - preußischen
Stellungen durchbrechen und das französische linke Rheinufer frei machen.
§ 321. Im folgenden Jahre stürmten die französischen Heere
unter Pichegru und Iourdan gegen die Niederlande und nach
mehreren unentschiedenen Kämpfen siegte Iourdan in der Hauptschlacht
bei Fleurus, in Folge deren die österreichische Armee langsam hinter
die Maas, die Roer und den Rhein zurückging, Valenciennes,
Verdun, Konde, Longwy und Ouesnoi sich dem kleinen sran-
1793 am
18. März.
1793 am 7.
8. Scptbr.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Dumouriez Louis
Philipp_von_Orleans Philipp Iosias_von_Koburg Karnot Houchard Wattignies Hoche Iourdan
Extrahierte Ortsnamen: Schwedens Europas Belgien Holland Breda Frankreich Ouesnoi Valenciennes Mainz Oester- Wattignies Fteurus Jork_Dünkirchen Maubeuge Pirmasens Niederlande Rhein Valenciennes Verdun Longwy
138
Geschichte der neueren Zeit.
19. Nov
1807.
1808 am
9. Mai.
lung Portugals (Vertrag von Fontainebleau 27. Oktober 1807). Ein
französisches Heer unter Iunot rückte über spanischen Boden nach
Portugal vor, die königliche Familie entfloh nach Brasilien, Iunot er-
hob ungeheure Brandschatzungen und schickte 10,000 portugiesische Sol-
daten nach Frankreich, welche in Napoleons Kriegen zu Grunde gingen.
K 361. Unterdessen hatte Napoleon die Befugniß über spanischen
Boden nach Portugal marschieren zu lassen, dahin benutzt, allmälig
eine Armee von 100,000 Mann staffelförmig auf spanischem Bo-
den aufzustellen, wodurch seine Absicht, Spanien seinen Entwürfen
dienstbar zu machen, sich klar zeigte. Ein Volksaufstand in Madrid
und Aranjuez gegen den Urheber des Bündnisses mit Napoleon be-
wog den König die Regierung seinem Sohne Ferdinand zu über-
lassen, er bereute es jedoch bald und wandte sich klagend an Napoleon,
der die ganze königliche Familie nach Bayonne lud. Dem Willen seines
Vaters folgend, übergab ihm Ferdinand die Krone wieder (5. Mai 1808),
der Vater aber legte sie in die Hände Napoleons (6. Mai) und lebte mit
seiner Familie gemüthlich bis 1814 in Kompiegne (starb 1818 in Rom),
während der Kronprinz Ferdinand in Valenyay in freier fürstlicher
Haft gehalten wurde. Napoleon berief französische Notabeln nach
Bayonne, gab Spanien eine neue Verfassung und in seinem Bruder
Joseph einen König (15. Juni).
Erhebung des spanischen Volkes. Kongreß in Erfurt (27. September und
14. Oktober 1808).
8 362. Die Spanier ließen sich aber keineswegs wie eine Heerde
Schafe einem andern Herrn übergeben; schon am 2. Mai, als die
königliche Familie noch in Bayonne war, entstand in Madrid ein
Ausstand, welchen Murat schonungslos unterdrückte; dieser Schwager
Napoleons entfernte sich jedoch bald aus Spanien, denn ihm fiel die
neapolitanische Krone zu (15. Juli). Unterdessen erhob sich das
spanische Volk, in den Provinzialstädten bildeten sich leitende Aus-
schüsse (Juntas) und für ganz Spanien eine sogenannte Central-
junta zur Organisierung des nationalen Widerstandes. In wenigen
Monaten standen ganze Heere, freilich ungeübte, im Felde, unzählige
Banden (Guerillas) schwärmten umher und selbst in den Häusern war
kein Franzose vor Messer und Gift sicher. Napoleon hatte 10,000
Spanier unter de la Romana nach Fünen verlegt, diese bemächtigten
sich der Festung Ny borg und fuhren auf englischen Schiffen nach Hause;
als aber vollends ein französisches Heer von 16,000 Mann unter Dupont
von den Spaniern bei Baylen (nördlich von Iaen, in der Sierra
Morena) zur Uebergabe gezwungen wurde, als am 21. August das in
Portugal gelandete englische Heer unter Wellington das französische
bei Vimieira schlug, fand Napoleon es für nothwendig, die Gefahr
jenseits der Pyrenäen mit einem gewaltigen Schlage zu vernichten.
Vorher jedoch sicherte er sich den Rücken, indem er auf dem Kon-
gresse von Erfurt, auf welchem auch die Rheinbundsfürsten erschie-
nen, sich des Kaisers Alexander I. dadurch versicherte, daß er ihm
freie Hand gegen Schweden und die Türkei ließ.
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Extrahierte Ortsnamen: Fontainebleau Portugal Brasilien Frankreich Napoleons Portugal Spanien Madrid Bayonne Napoleons Kompiegne Rom Bayonne Spanien Erfurt Bayonne Madrid Napoleons Spanien Spanien Portugal Wellington Erfurt Schweden
Das Soldatenkaiserthum. 141
als eine „freie Stadt« mit einer französischen Besatzung versehen
hatte.
Russische Eroberungen (1808-1812). Lernadotte, Lronp'rin) von Schweden
(1810).
§ 369. Hauptsächlich um der russischen Allianz willen stellte
Napoleon Polen nicht wieder her und ließ dem Kaiser Alexander freie
Hand gegen Schweden und die Türkei. Der schwedische König
Gustav Iv. war Napoleons erbitterter Feind und bekämpfte ihn auch
1807 im Bunde mit Rußland und Preußen, verlor aber dafür Stral-
sund nebst Rügen. Alexanders!. Aufforderung den englischen Schiffen
die schwedischen Häfen zu verschließen, wies er zurück und wurde dafür
mit Krieg überzogen. Einzelne schwedische Abtheilungen schlugen sich
in Finnland vortrefflich gegen die russische Uebermacht, allein Verrath
und Meuterei, von schwedischen Oberossizieren angestiftet, vereitelten
jeden Erfolg; der Admiral Graf von Kronstedt überlieferte sogar
das starke Sweaborg mit der schwedischen Flotte den Russen. Gu-
stav Iv. wollte von keinem Frieden etwas wissen, war aber auch nicht
im Stande den Krieg zu leiten, und wurde am 13. März 1808 durch
eine unblutige Revolution sammt seinem Geschlechte gestürzt und ver-
bannt. Sein kinderloser Oheim ließ sich als Karl Xiii. von dem
Reichstage die Krone übertragen und trat im Frieden Finnland und
Ostbothnien bis an dietornea sammt den Alandsinseln an Ruß-
land ab. Als der von ihm adoptierte Prinz August von Holstein-
Augustenburg (im Mai 1810) starb, adoptierte Karl Xiii. den
französischen Marschall Bernadolte als Kronprinzen Karl Johann,
der aber im Interesse Schwedens bald eine Napoleon feindselige Politik
einschlug und sich 1812 insgeheim mit England und Rußland verbündete.
Der russische Icldmg (1812).
§ 370. Kaiser Alexander I. bekriegte 1809 bis 1812 die Tür-
ken ohne besonderes Glück, behielt jedoch in dem von England ver-
mittelten Frieden zu Bukarest das Gebiet zwischen Dniester und 28. Mar
Pruth, so daß die russische Gränze die untere Donau und deren Mün- ^12.
düngen erreichte. Er hatte mit England und Schweden, welchem
Norwegen zugesichert wurde, Bündnisse gegen Napoleon geschlossen, weck
durch die Hemmung des Verkehrs mit England der wichtigste Theil der
russischen Ausfuhr brach gelegt war, hauptsächlich jedoch in der Ueber-
zeugung, daß Napoleon auch die russische Macht zu brechen gedenke
und niemals die Herrschaft über Europa mit Rußland theilen werde.
Dem französischen Kaiser war der Bruch nicht unwillkommen; er sam-
melte ein Heer von wenigstens 500,000 Mann, das schönste und tüch-
tigste, welches bisher die Welt gesehen, aus Franzosen, Italienern, Polen,
den Kontingenten der Rheinbundsfürsten, den entführten Spaniern und
Portugiesen bestehend, zu welchem Oesterreich 30,000, Preußen 20,000
Mann stoßen ließ, welche beide Mächte sich einem Bündnisse mit Na-
poleon nicht entziehen durften.
Z 371. Vom 21.—25. Juni marschierte die Hauptmasse unter Na-
poleon über den Niemen und drang gegen das Herz des russischen
Reiches vor, während Makdonald sich mit 40,000 Mann, darunter die
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Alexander Alexander Gustav_Iv Gustav Napoleons Alexanders Karl_Xiii Karl August Karl_Xiii Karl Marschall_Bernadolte Karl_Johann Karl Johann Napoleon Alexander_I. Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Schweden Schweden Finnland Finnland Ostbothnien Holstein-
Augustenburg Schwedens England England Bukarest Donau England Schweden England Europa Polen Rheinbundsfürsten Oesterreich
78
Geschichte der alten Welt.
die vereinigten Anstrengungen der Eupatriden vertrieben, erlangte er die
Gewalt noch einmal, und abermals vertrieben kehrte er mit Hilfe der
Eretrier und des Tyrannen von Naxus zurück und behauptete stch
fortan. Er vertrieb nur die Familie der Alkmäoniden, seine Tod-
feinde, sonst verfolgte er seine Gegner nicht, sicherte stch jedoch dadurch,
daß er sich deren Kinder als Geiseln geben ließ; unzufriedene Athener
wanderten mit seiner Einwilligung unter Miltiades in den thrakischen
Chersones aus; er selbst gründete eine Kolonie am Strymon, ver-
stärkte Sigeum und gab ihm einen seiner Söhne als Tyrannen. Er
ließ die solonischen Gesetze in Geltung, verschönerte Athen durch Bau-
ten, ordnete schöne Festfeiern an, beförderte Ackerbau und Handel und
527 v. Chr. zeigte stch als großmüthigcn Freund der Dichter. Nach seinem Tode
folgte ihm sein Sohn Hippias, der mit seinem Bruder Hipp archus
in seltener Eintracht lebte, daher dieser gewöhnlich als Mitregent auf-
geführt wird; er regierte im Geiste seines Vaters, bis Hipparch als
Opfer einer Verschwörung fiel, die Harmodius und Aristogiton
514 v. Chr. aus Privatrache angestiftct hatten. Von jetzt an verfuhr Hippias hart,
verband stch mit andern Tyrannen und schlug die Unzufriedenen, welche
stch um die verbannten Alkmäoniden versammelt hatten, zurück. Aber
das Orakel von Delphi nahm, von den Alkmäoniden gewonnen (sie hatten
den abgebrannten Tempel prächtig aufgebaut), gegen ihn Partei und
vermochte die Spartaner zu einem Kriegszuge; Hippias hätte sich viel-
leicht behauptet, wenn seine Kinder, die er auswärts in Sicherheit brin-
gen wollte, nicht in die Hände seiner Feinde gefallen wären; für freien
510 v. Chr. Abzug mit seinen Kindern räumte er seine Burg und begab sich nach
Sigeum in Troas.
Verfassungsänderung durch Klisthenes (509 v. Chr.). — Athens
Gefahr und Aufschwung.
Demokrat Z 226. Der Alkmäonide Klisthenes, die Seele des Kampfes
Athens^ ükgen die Pisistratiden, setzte bald darauf eine Verfassungsänderung
durch, welche die Uebermacht der Eupatriden für immer brach. Die Zahl
der Phylen wurde nämlich von vier auf zehn erhöht und nach den Landes-
heroen benannt, sie bildeten aber keine geschloffenen Bezirke mehr, sondern
waren über ganz Attika vertheilt. In den Rath kamen aus jeder
Phyle 50 Bürger, so daß er seitdem aus 500 Mitgliedern bestand;
die Phratrien dauerten fort, aber nur mehr als religiöse Korporationen.
Die vielen kleinen Ortsgemeinden (Demen) wurden in 100 größere
zusammengezogen, an deren Spitze gewählte Demarchen standen (ein
attischer Demos war seitdem ein Verwaltungsbezirk für die Zwecke des
Militär- und Steuerwesens). Ueberdies verstärkte Klisthenes die Bür-
gerschaft durch die Aufnahme vieler Ansassen und Fremden.
Theben lind § 227. Bald darauf sagte sich die böotische Stadt Platää,
Sparta wi- Athens Nachbarin auf der andern Seite des Kithäron, von dem böoti-
cc cn‘ schen Städtebunde los, weil sie die Tücke und den Stolz des Vororts
Theben unerträglich fand, und trat mit Athen in ein Schutzbündniß;
die Thebaner stellten sich gleichgiltig, griffen darauf die Athener unver-
sehens an, erlitten aber eine empfindliche Niederlage. Damit wurde
das Maß des spartanischen Zornes voll; denn Sparta hatte den Hippias
nicht gestürzt, damit Athen demokratisch würde und andere Städte an
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Die Griechen.
79
sich zöge, auf das gemeine Volk verführerisch einwirke und zuletzt den
Anstoß zu einer allgemeinen demokratischen Bewegung gebe. Es sagte
daher willig zu, als der Archon I sag oras, das Haupt des unver-
söhnlichen Theils der Eupatriden, seinen Beistand anrief. Klisthenes 507 v. Chr.
entwich vor der Ankunft des spartanischen Heerhaufens und 700 Fami-
lien, welche Jsagoras als demokratische bezeichnete, wurden zur Auswan-
derung genöthigt, ein neuer Rath eingesetzt und in die Akropolis spar-
tanische Besatzung gelegt. Allein die Volksmasse erhob sich und belagerte
die Burg so stürmisch, daß die Spartaner am dritten Tage mit dem
Jsagoras vertragsmäßig abzogen; die andern Eupatriden, die sich wie
er zu den Spartanern in der Burg gesellt hatten, wurden als Verräther
hingerichtet.
8 228. Die erbitterten Spartaner boten setzt ihre Verbündeten auf
und bewogen das mächtige Chalkis aus Euböa zum Kriege gegen
Athen. Unverzagt rückten die Athener der feindlichen Hauptmacht nach
Eleusis entgegen, wurden aber zu ihrem Glück der Entscheidung durch
die Waffen enthoben; die spartanischen Könige Kleomenes und
Demaratus trotzten sich nämlich gegenseitig, daher die Bundesge-
nossen, denen Sparta ohnehin den Zweck des Aufgebots nicht eröffnet
hatte, unwillig auf eigene Faust abzogen, worauf die Spartaner für
gut fanden ihnen zu folgen. Rasch wandten sich jetzt die Athener gegen
die Thebaner, schlugen sie, setzten über den Euripus, besiegten die Chal-
kidier und zwangen sie zum Frieden. Chalkis wurde demokratisch; den Chalkis
Eupatriden wurde das große lelantische Feld, welches sie vorher den ^^i-
Eretriern in einem blutigen Kampfe abgewonnen hatten, entrissen und fiert.
in 4000 Kleren, jeder mit einem Jahresertrag von 150 Medimnen,
an arme athenische Bürger vertheilt.
8 229. Darauf beschlossen die Spartaner Athen um jeden Preis
zu beugen, und den Hippias wieder einzusetzen, der sich dann jedenfalls
nur durch eine spartanische Garnison halten konnte. Sie beriefen ihre
Bundesgenossen auf einen Tag nach Sparta, klagten über den Undank
der Athener, wiesen auf deren Uebergriffe gegen Theben und Chalkis
hin, gestanden ihre Reue über die Vertreibung des Hippias und be-
zeichneten dessen Wiedereinsetzung als das einzige Mittel, um den Ueber-
muth der athenischen Demokratie zu dämpfen. Aber die aristokratischen
Städter haßten doch die Tyrannie noch mehr als die Demokratie, denn sie
hatten allzu schlimme Erfahrungen gemacht; sie erinnerten die Spartaner
an die Vertreibung der Tyrannen aus Korinth und Sikyon, an die wie-
wohl vergebliche Unternehmung gegen den samischen Tyrannen Poly- 524 ^ g^r<
krates und beschworen sie bei ihrer Ehre den Hippias auszugeben, jeden-
falls würden sie ihre Mitwirkung versagen.
8 230. So blieb Athen von einem peloponnestschen Kriege verschont,
hatte jedoch vollauf mit den Ae g ine ten zu thun , welche sich von Aegina.
Theben zum Kriege hatten aufstacheln lassen; Athen konnte diesen
reichen Insulanern vorerst keine Seeschlacht liefern, weil es noch keine
starke Flotte besaß, und war froh deren verwüstenden Landungen ein
Ziel zu setzen. Hippias ging nach Asien zurück und wirkte durch den
Satrapen Artaphernes zu Sardes bei dem großen Könige für seine
Wiedereinsetzung.
TM Hauptwörter (50): [T14: [Athen Stadt Athener Sparta Spartaner Griechenland Krieg Perser Flotte König]]
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Extrahierte Personennamen: Chalkis Aegina
Extrahierte Ortsnamen: Burg Euböa Athen Sparta Athen Sparta Theben Hippias Korinth Theben Asien Sardes